Lokalblatttreue haben es vielleicht schon gelesen:
„Parteibrei aus CDU, SPD und Grünen stürzt weiter ab„
Die Ratssitzung, auf der über den Gegenstand unserer seit 2016 laufenden online-Petition und Unterschriftensammlung alles andere als „beraten“ wurde, verlief wenig frühlingshaft. Wir waren als „nach Anmeldung geduldete Zuhörer*innen“ vor Ort und haben vor tiefgekühlter Unverfrorenheit der Mehrheit der Gewählten zeitweise fast Hitzeattacken erlitten.
Tröstende Wirkung hatten die klaren unterstützenden Worte von der Linken, dem Pirat und (mit der Ausnahme, dass wir nicht weniger, sondern mehr Schutz von Feldhamstern möchten!) der FDP. Es ist eine große Erleichterung zu spüren, dass es auch in der realitätsfernen Welt der Herrschenden nicht nur [*Platzhalter für beliebige Wörter, die euch spontan in den Sinn kommen,*] gibt…
Denn es ist – nichts Neues, aber dennoch – einfach nur erschreckend und furchtbar, wie selbstherrlich und arrogant das Gros der Politnix ist. Das schließt die „Grünen“, die in ihrem Selbstmitleid zerfließen wie die letzten Yuppies, ausdrücklich mit ein. Da ist eine SPD, die einem sich als „volksnah gebenden“, in Wirklichkeit jedoch Landtags-geilen Kandidaten hinterher eifert und die Verwaltung dafür lobt, dass diese ihrer Gehaltsarbeit nachgehend die Befehle der Ratsmehrheit ausführt und ganz brav innerhalb des Tellerrandes denkt. Da ist eine CDU, die es schon beim TOP „Istanbul-Konvention umsetzen – Gewalt gegen Frauen verhindern“ schafft, die Sprecherin der eigenen „Frauenunion“ nach ihrem Redebeitrag mit der männlichen Inbrunst dreier Parteikollegen physisch einzukesseln und verbal anzugehen, bis ein weiterer männlicher Parteikollege lauthals seine gewaltige Stimme durch den Saal schallen lässt. Diese CDU stellt sich hin und behauptet unter Betonung, dass dies ausdrücklich an die Bürger*innen gerichtet und daher für die Presse wichtig sei, vollkommen stumpf, wir seien mit dem Wagenplatz am Hunteburger Weg zerstritten und wollten daher dort nicht hinziehen. ?!?
Wir halten es an dieser Stelle für sehr wichtig, einige Fakten nochmal zum Mitschreiben (bzw. Herauskopieren) hervorzuheben, da bei vielen gewählten Selbstschönredner*innen offenbar nach wie vor der Parteibrei die Wahrnehmung verwischt:
- Der andere Wagenplatz in Osnabrück hat eine andere Geschichte als unsere WabOS. Jene Wagenburg hat ihr Zuhause nach städtischem Vollversagen vor vielen vielen Jahren glücklicherweise auf einem Privatgrundstück gefunden. Der dortige Pachtvertrag sieht eine begrenzte Bewohner*innenzahl vor. Und selbst wenn es diese vertragliche Begrenzung nicht gäbe, so ist auch die Bewohner*innenauslastung eines Bauwagenplatzes irgendwann erreicht, erst recht wenn dem ökologischen Anspruch Rechnung getragen werden soll, mit und nicht gegen die Natur zu leben. Ihr stopft ja auch nicht in ein Mehrparteienmietshaus mit 4 Wohnungen 8 Mietparteien. Daher: Nein, dort ist kein Platz für uns. Und in einem konventionellen Mietshaus würdet ihr die Mieter*innen auch nicht dazu zwingen, gefälligst zu den 4 Parteien im ebenfalls 4 Wohnungen aufweisenden, irgendwem anders gehörenden Mietshaus am anderen Ende der Stadt zu ziehen, weil ihr aus euren 4 Wohnungen 8 machen wollt und dort 8 Parteien einziehen sollen, die ihr einfach lieber mögt oder so. Und wenn ihr jetzt tatsächlich sagt, ihr würdet dies tun (denn wir leben ja im Kapitalismus und Privateigentum ist diesem das höchste Gut), dann fragt euch bitte, wie ihr euch fühlen würdet, wenn ihr zu irgendeiner der genannten 16 Mietparteien gehörtet. Und wenn ihr dann immer noch der Ãœberzeugung seid, dass ihr euch als irgendeine der 16 betroffenen Mietparteien total gut damit fühlen würdet, dann möchten wir euch nahelegen, eure Mandate zur „Volksvertretung“ niederzulegen.
- Unser Pachtvertrag, der – „Verwaltung sei Dank!“ – „ordnungsgemäß“ zu Ende Juni diesen Jahres gekündigt wurde, bekam zunächst im Jahre 2002 eine Verlängerung um 5 Jahre. Anschließend wandelte er sich, wie im Falle von Pacht oft üblich, in einen sich jeweils jährlich verlängernden Vertrag. In dem Vertrag steht, bei der durch den WabOS e. V. nutzbaren Fläche handele es sich um ca.(!) 7.000 qm. Tatsächlich wissen wir und haben wir euch Parteivertretungen mehrfach gezeigt, dass jedoch wesentlich weniger Fläche von uns beansprucht wird. Stattdessen bietet sich weitläufig Raum für Vegetation, vielfältige Habitate und natürliche Prozesse. Der Boden ist komplett unversiegelt.
- Unser von der Stadt aufgesetzter Pachtvertrag hat unsere Bewohner*innenzahl seit jeher auf maximal 13 Personen in maximal 10 bewohnten Wagen begrenzt. Uns zum Vorwurf zu machen und gegen uns zu argumentieren, wir hätten pro Person 700 qm zur Verfügung, ist nach dieser eurer Festlegung vollkommen unhaltbar – erst recht unter Einbeziehung von Punkt 2.
- Die Zeiten, in denen wir jährlich 1.000 € Pacht bezahlten, sind schon länger vorbei. In den letzten Jahren betrug der Pachtzins ca. 1.200 € plus Gebühren für die Müllabfuhr. Wir haben uns nie über diese zu zehnt tatsächlich günstige Pacht beschwert. Was ihr jedoch dauernd überseht, ist, dass wir hier nicht für erschlossenes Land zahlen bzw. gezahlt haben, sondern auf nicht-erschlossenem Grünland leben. Das heißt, im Gegensatz zu Menschen, die in Häusern leben, haben wir keine Anschlüsse: kein fließendes Wasser, keine herkömmliche Kanalisation, kein 230V-Elektrizitätsnetz, kein Telefonnetz, kein festes Internet. Stattdessen haben wir Wege gefunden, sauber, gut und ökologisch zu leben, auch wenn dies beschwerlicher als der Geschirrspüler, die Waschmaschine, die Dauerlauf-Dusche, das Wegspül-WC, der Standby-Modus für Fernseher, Computer & Co. auf 230 V, der Heizstrahler, die Gasheizung, die Mikrowelle, der Elektroherd etc. pp. sein mag. Außer über einen fehlenden festen Internetzugang haben wir uns auch darüber nie beschwert. Im Gegenteil: Wir haben uns ausgesucht, so zu leben. Es ist und bleibt jedoch eine unverschämte Dreistigkeit, unsere Gegebenheiten mit denen eines er- und angeschlossenen Grundstücks in puncto Kosten gleichzusetzen. Auch wenn das die vorgefertigten Berechnungstabellen und -formulare nicht vorsehen: Unsere Lebensweise gibt es wirklich.
- Unser Pachtvertrag sah nie explizit vor, dass wir nur eine „Ãœbergangsnutzung“ darstellen. Der einzige legitime Grund, bei dem die Verpächterin, also die Stadt Osnabrück, uns kündigen konnte, sofern wir uns immer dem Pachtvertrag entsprechend verhielten, was wir taten, war, wenn „das Grundstück für öffentliche Zwecke benötigt [würde], insbesondere den Ausbau der im geltenden Flächennutzungsplan ausgewiesenen Westumgehung.“ Aufmerksame Leser*innen bemerken hier, dass „öffentliche Zwecke“ ziemlich relativ sind; dass es eher diese hier festgelegt „öffentlichen Zwecke“ sind, die selbst die CDU dazu veranlassen, die Fläche der semi-kommunalen Semi-Wohngesellschaft zu überlassen anstatt sie im Höchstbietverfahren zu verhökern; dass allein diese Festlegung schon darauf hindeutet, dass eine Wohnbebauung eine westliche Umgehungsstraße nicht ausschließt (wie sich aktuell z. B. auch an weiterhin geöffneten Schranken am Finkenhügel zeigt).
- Gefolgt wird dieser „außerordentliche Kündigungsgrund“ im Pachtvertrag durch den Zusatz, dass die Stadt Osnabrück sich in diesem Fall bemühen wird, dem WabOS e. V. „ein geeignetes Ersatzgelände zur Verfügung zu stellen.“ Ihr Parteien dürft also getrost darauf verzichten, euch andauernd für eure „enorme Großzügigkeit“ selbst zu loben, dass ihr eure Verwaltung permanent drangsaliert, unter „immensem Aufwand“ nach einem Ersatzgrundstück zu suchen, wovon es aber auch mehr als „jetzt das, mehr nicht“ nicht geben soll. Die Stadt Osnabrück ist vertraglich dazu verpflichtet sich zu bemühen.
- Wir möchten hier nicht wie von der Verwaltung formuliert „unseren Traum vom alternativen Leben abseits der üblichen Vorstellungen leben.“ Für uns ist unser Leben Am Hirtenhaus seit 23 Jahren Realität.
Vor allem das Gejammer der „Grünen“, es tue ihnen weh als „Grüne“ Grün zuzubauen, aber es sei nun einmal notwendig, um die Westumgehung zu verhindern (wir sind uns sicher, dass sie mit einer Bebauung noch viel eher kommen wird als ohne), ist unerträglich und vollkommen unangebracht. Täte es ihnen „weh“, so würden sie niemals derartig bei der CDU (und in weniger wichtiger Rolle bei der SPD) herum schleimen, sondern ihren „Empfindungen“ durch entsprechende Worte und Taten Ausdruck verleihen. Auch ein Empfänger eines goldenen Ehrenringes im Wert von viel Geld als Entlohnung für 20 Jahre „Ehrenamt gegen Aufwandsentschädigung“ im Rat kann sich irren. Wir raten euch aufzuhören euch selbst zu verraten. Das Gemauschel eurer Partei trägt Mitschuld an so wunderbaren Dingen wie Atomkraft, Kohlestrom, Abschuss von Robben, Hartz IV, … Hier könntet ihr ein Mal etwas besser machen, euch ein Mal deutlich von euren rosaroten und grauschwarzen Herrschern befreien, ein Mal so richtig grün sein. Oder glaubt ihr denn, die Politik der CDU sei langfristig zukunftsfähig? Seht ihr die heute jungen Menschen in 50 Jahren dem Papst in einer Diesel-Limousine zujubeln? (Wir nicht.)
Uns geht es zur Zeit so scheiße, dass wir noch nicht einmal eine Presseanfrage vom Stadtblatt mehr wahrnehmen konnten. Wir fühlen uns zermürbt, kaputt, gedemütigt, sind bestürzt, traurig, wütend, verzweifelt, entwurzelt. Wir hängen im Nichts und stehen vor der nackten Zerstörung. Daran wird auch eine Wiese (noch dazu möglicherweise auf einer Müllkippe) in der Gartlage nichts ändern. Wir haben nicht nur wie alle anderen unseren Alltag aus Lohnarbeit und Persönlichem und noch dazu unter den Auswirkungen einer globalen Pandemie zu bewältigen. Unsere Existenz- und Zukunftsängste haben eine dritte – noch dazu völlig und einfach vermeidbare – Dimension, die das Entsetzen um der Natur halber, mit der wir seit 23 Jahren hier leben, einschließt.
CDU, SPD, Grüne (und die wie auch immer heißende, sich nicht sonderlich von dem Parteibrei abhebende Splitterfraktion), IHR SEID SCHULD.
Auch wenn ihr und dadurch „gezwungenermaßen“ die Presse es gerne verschweigt, sind eure Bebauungspläne noch nicht verabschiedet. „Im Sommer,“ so heißt es seit Neuestem, würden die Pläne ausgelegt. Ihr wisst ganz genau, dass es wieder Bürger*innenbeteiligungen geben muss. Ihr habt uns gekündigt, aber wir sind noch da. Eure Wahlen sind erst im September… und die Folgen eurer fehlgeleiteten Schlüsse aus der Kampagne für bezahlbaren Wohnraum haben nicht nur uns in Aufruhr versetzt. Es brodelt allerorten: im Schinkel, in der Gartlage, … Jüngst wurde auch am Kalkhügel wieder ein Projekt der Vernichtung ausgesetzt.
Noch bleibt euch Zeit, umzudenken, gen Mut zur Vielfalt – auch in der Weststadt und am Westerberg – umzulenken, euch zu ent-schuld-igen.