Mai 2019: Gegen alle Abschiebeknäste!

Nein zur Einrichtung einer Zentralen Abschiebebehörde (ZAB) in Niedersachsen! Wie in ganz Deutschland, ganz Europa, ja der ganzen Welt geht auch in Niedersachsen die rassistische Entrechtung all jener weiter, die nicht die „richtigen“ Staatsbürgerschaften besitzen. Wir können und wollen das nicht hinnehmen.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat angekündigt, den Beispielen Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen zu folgen und eine landesweite zentrale Abschiebebehörde einzurichten. Diese neue Behörde soll Kompetenzen zur Abschiebungsvorbereitung und -durchführung – wie Passersatzbeschaffung und Flugbuchungen – bündeln, die aktuell bei den kommunalen Ausländerbehörden liegen. Mit diesem Vorhaben läuft der niedersächsische Innenminister, welcher vor einigen Jahren noch das Engagement für Geflüchtete in seiner Heimatstadt Osnabrück lobte(1), dem rechtspopulistischen Diskurs à la Seehofer hinterher. Wir lehnen die Einrichtung einer solchen Behörde ab. Wir wollen sie weder hier noch anderswo – und das aus mehreren Gründen:

1) Abschiebungen sind grundsätzlich falsch, weil sie gewaltvolle Eingriffe in die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Privatleben(2), das Recht auf Leben und damit die Menschenwürde der Betroffenen darstellen. Sie sind Ausdruck einer politischen und ökonomischen Weltordnung, die (Über-)Lebenschancen und Privilegien aufgrund der Herkunft und der willkürlichen Geburt an dem einen oder anderen Ort vergibt. Sie verstetigen damit globale Ausbeutungsverhältnisse.

2) Die zentrale Abschiebebehörde dürfte unter diesen Bedingungen für noch mehr unmenschliche Gewalt im Vollzug von Abschiebungen sorgen. Wie Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, führen Zentralisierungen in einem aufgeheizten gesellschaftlichen Klima zur weiteren Brutalisierung von Abschiebungen: (gescheiterte) Abschiebungen aus Krankenhäusern(3) und (Berufs-)Schulen(4), Trennungen von Familien (5) und vieles andere. Die aktuell zuständigen Kommunen kennen die Einzelfälle besser und können so Ermessensspielräume etwa bei Ausbildungsduldungen nutzen, Krankheiten und Reiseunfähigkeit oder andere Abschiebehindernisse von Ausreisepflichtigen berücksichtigen. Zumindest theoretisch hätten Kommunen vor Ort damit die Möglichkeit, menschenwürdige Entscheidungen zu treffen.

3) Schließlich ist die Diskussion um die Abschiebebehörde eine Nebelkerze. Auch eine zentrale Behörde wird nichts an der Tatsache verändern, dass in diverse Länder nicht abgeschoben werden kann. Mitnichten wird ein sogenanntes „Vollzugsdefizit“(6) abgebaut. Politisches Handeln sollte sich nicht auf die Unterscheidung zwischen „Bleibeberechtigten“(7) und „Ausreisepflichtigen“ konzentrieren, sondern auf die Organisation des Zusammenlebens Aller. Wir wollen und brauchen keine neue zentrale Abschiebebehörde, sondern Stellen und Programme, um Bleibe- und Teilhabeperspektiven zu schaffen und zu sichern. Wir wollen zu einer Politik, die die Wahrung von Menschenrechten und Teilhabemöglichkeiten als Erfolg wertet – und für die jede Abschiebung eine Niederlage ist.

Die Einrichtung einer zentralen Behörde unterstreicht die Entmenschlichung eines ohnehin inhumanen Asylsystems. Wir fordern eine Verschiebung weg vom rechtspopulistischen Angstdiskurs hin zu einem Diskurs über Solidarität und Gemeinschaft. Wir fordern die Menschen in Niedersachsen auf, sich der Zentralisierung der Repression entgegenzustellen, um allen Personen, die sich hier niederlassen wollen, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Unterstützt den Widerstand und beteiligt euch am Protest gegen die Zentrale Abschiebebehörde in Niedersachsen. Nicht hier, nicht anderswo – NEIN zur ZAB! NEIN zu allen Abschiebungen!

Das Osnabrücker Bündnis gegen Abschiebungen

Unterzeichnende

(1) Neue Osnabrücker Zeitung, 21.11.2014: Pistorius zeigt Verständnis. Abschiebe-Demos in Osnabrück: Polizei greift nicht ein (https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/524594/abschiebe-demos-in-osnabruck-polizei-greift-nicht-ein#gallery&0&0&524594).

(2) Artikel 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten [Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens] (https://www.menschenrechtskonvention.eu/konvention-zum-schutz-der-menschenrechte-und-grundfreiheiten-9236/).

(3) Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, 09.11.2018: Abschiebepraxis in der Kritik. Evangelische Kirche verurteilt Abschiebungen aus Kliniken (https://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/kirche-fordert-keine-abschiebungen-mehr-aus-dem-krankenhaus.html).

(4) Bayrischer Flüchtlingsrat, 27.09.2018: Abschiebung aus der Schule. Flüchtlingsrat kritisiert: Behörden konterkarieren Söders Rede von humaner Flüchtlingspolitik (https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/beitrag/items/abschiebung-aus-der-schule.html).

(5) Hessischer Flüchtlingsrat, 02.02.2018: Erneut Familientrennung durch Abschiebung (https://www.frnrw.de/aktuell/artikel/f/r/erneut-familientrennung-durch-abschiebung.html).

(6) Pro Asyl, 26.02.2019: Die Schicksale hinter den Zahlen – warum Abschiebungen scheitern (https://www.proasyl.de/news/die-schicksale-hinter-den-zahlen-warum-abschiebungen-scheitern/).

(7) GGUA Flüchtlingshilfe, 27.06.2016: Bleibeperspektive. Kritik einer begrifflichen Seifenblase (https://www.ggua.de/aktuelles/einzelansicht/928d8e9e7945971902ef49a6e72c3d8f/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=1020&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail).